17 Sep Wie die wahlwerbenden Parteien zur Weiterentwicklung des Rettungsdienstes stehen
Am 29.9. wird in Österreich der Nationalrat neu gewählt. Nachdem wir das Thema der Weiterentwicklung des Rettungsdienstes im Wahlkampf bisher vermisst haben, nehmen wir das zum Anlass, bei den wahlwerbenden Parteien nachzufragen. Mit fünf Fragen haben wir uns an alle wahlwerbenden Parteien sowie die GesundheitssprecherInnen der im letzten Nationalrat vertretenen Parteien gewandt. Hier veröffentlichen wir die Antworten.
Folgende Parteien/Personen haben bisher geantwortet (Reihenfolge nach Eingang der Antworten):
Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ): „Vielen Dank für die E-Mail und das Interesse an der SPÖ. Feedback ist für unsere Arbeit unabdinglich. Wir haben die Nachricht erhalten und werden die verantwortlichen Ortsorganisationen, FunktionärInnen und Referate umgehend über Wünsche und Anregungen informieren. Auf konkrete Fragen wird sich das Team des SPÖ Mitglieder- und Servicebüros in den nächsten Tagen melden.“ – noch keine ausführlichere Rückmeldung
NEOS – Das Neue Österreich (NEOS): „vielen Dank für Ihre Nachricht. Ihre Anfrage ist NEOS wichtig und wir sind bemüht, jede zu beantworten.“ – Antworten im Text unten pink markiert
Wandel – Aufbruch in ein gemeinwohlorientiertes Morgen mit guter Arbeit, leistbarem Wohnen und radikaler Klimapolitik. Es gibt viel zu gewinnen (WANDL): „vielen Dank für Ihre Nachricht. Leider müssen wir unsere Kräfte in den letzten zwei Wochen vor der Wahl auf unsere zentralen Wahlaktivitäten fokussieren müssen. Es tut mir sehr leid, dass wir jetzt nicht mehr zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen. Als kleine Partei ohne Ressourcen müssen wir da oft sehr harte Entscheidungen treffen. Nicht, weil uns Ihr Thema nicht wichtig ist, sondern einfach, weil es nicht anders geht.“
JETZT – Liste Pilz (JETZT): „Vielen Dank für Ihre Mail, die wir gerne aufnehmen.“
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)/Gesundheitssprecherin NR Abg. Dr. Brigitte Povysil (Gesundheitssprecherin und Leiterin des Gesundheitsausschusses) – Antworten im Text unten blau markiert
Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP): vielen herzlichen Dank für Ihre Anfrage an Sebastian Kurz und die Volkspartei. Das österreichische Rettungswesen und die vielen ehren- sowie hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten tagtäglich einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren der heimischen Gesundheitsversorgung. Dafür möchten wir uns herzlich bei Ihnen und Ihren Mitgliedern bedanken. Bezüglich der von Ihnen gestellten Fragen würden wir Sie ersuchen, sich an die für das Rettungswesen zuständigen Bundesländer zu richten.
Alternative Listen, KPÖ Plus, Linke und Unabhängige (KPÖ): noch keine Rückmeldung
Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE): noch keine Rückmeldung
Einleitung
Der Bundesverband Rettungsdienst (BVRD.at) ist ein gemeinnütziger Verein und versteht sich als organisationsübergreifende Plattform und Fachvertretung für die im präklinischen Gesundheitsbereich tätigen Personengruppen. Als Interessensvertretung der Sanitäterinnen und Sanitäter setzen wir uns mit Aktivitäten zur fachlichen Förderung, organisationsübergreifenden Vernetzung und Bewusstseinsbildung für die Weiterentwicklung und Anliegen eines modernen, patientenorientierten und qualitativ hochwertigen Rettungswesens in Österreich ein.
Als Orientierungshilfe für die im Rettungswesen tätigen Berufs- und Tätigkeitsgruppen sowie betroffene Patientinnen und Patienten bitten wir Sie als wahlwerbende Partei für die bevorstehende Nationalratswahl um Stellungnahme zu den unten angeführten Fragestellungen hinsichtlich der Weiterentwicklung der präklinischen Versorgung in Österreich:
1. In welcher Form und in welchem Zeithorizont soll Ihrer Meinung nach die im letzten Regierungsprogramm vorgesehene Novellierung des Sanitätergesetzes (SanG) fortgeführt werden?
FPÖ: Das Projekt einer Novellierung sollte unmittelbar mit der neuen Regierungsbildung in Angriff genommen werden. Erste Vorarbeiten könnten bereits durch die Übergangsregierung, d.h. das BMASGK auf Beamtenebene nach dem 29. September in Angriff genommen werden.
NEOS: Es wäre wichtig, dass die im Regierungsprogramm vorgesehenen sinnvollen Aspekte einer Novellierung im Zusammenarbeit mit den Rettungs-Organisationen rasch fortgeführt wird. Eine Anpassung und Verbesserung wäre an der Zeit.
SPÖ: Die Arbeiten am Sanitätergesetz müssen rasch abgeschlossen werden, sodass eine Beschlussfassung im kommenden Jahr möglich wird.
2. Unterstützen Sie die Anerkennung des Sanitäters / der Sanitäterin als Teil der Gesundheitsberufe (inkl. Aufnahme in das Gesundheitsberuferegister) mit entsprechender Durchlässigkeiten in andere Gesundheitsberufe (z.B. Pflege, Altenbetreuung, etc.)?
FPÖ: Das sollte unter Einbindung von Experten begutachtet und dann einer entsprechenden sachpolitischen Entscheidung zugeführt werden.
NEOS: Ja, absolut. Die Fachausbildung von Sanitäter_innen und die dabei erworbenen Kenntnisse zusammen mit der Berufserfahrung wären eine Bereicherung der Gesundheitsberufe.
SPÖ: Ja, bei entsprechender Ausbildung.
3. Mit den Ausbildungsstufen gemäß Sanitätergesetz ist keine typische Berufsausbildung und auch kein Berufsschutz zu erreichen (derzeit 260 Stunden Ausbildung für RettungssanitäterInnen bis max. 980 Stunden für NotfallsanitäterInnen inkl. aller Zusatzmodule). Welche Maßnahmen zur Erweiterung/Vertiefung der Ausbildung würden Sie unterstützen? Wo würden Sie eine solche Ausbildung ansiedeln?
FPÖ: Diese Fragen sollten im Rahmen der Erarbeitung einer Novellierung des Sanitätergesetzes erörtert und dann entschieden werden.
NEOS: In vielen vergleichbaren Ländern dauert die Ausbildung wesentlich länger. Eine Maßnahme in diese Richtung würden wir in jedem Fall unterstützen.
SPÖ: Erfreulicherweise erging 2016 bereits eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, in der die Tätigkeit der „Altenpflegerin und Pflegehelferin“ nach einer zweijährigen Ausbildung (mit jeweils 1200 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) auch Berufsschutz begründend ist. Daran müsste sich auch die Ausbildung nach dem Sanitätergesetz orientieren.
4. Inwiefern sehen Sie im Hinblick auf künftige Herausforderungen bzgl. der Versorgungssicherheit von PatientInnen (Engpässe bei NotärztInnen, demografische Entwicklung mit einer älter werdenden Population, sinkende Anzahl an HausärztInnen) die Ausweitung der Ausbildung und Aufwertung der Kompetenzen von SanitäterInnen als möglichen Teil der Lösung für eine zukunftsfähige, nachhaltige und qualitativ hochwertige präklinische Versorgung?
FPÖ: Ziel muss eine umfassende Gesundheitsversorgung durch Allgemeinmediziner und Fachärzte bleiben. Dazu sind eine Reihe von Maßnahmen, wie das Projekt „Ärzte dürfen Ärzte“ anstellen, Gemeinschaftspraxen, Primärversorgungszentren usw. zu forcieren. Im Rahmen der Novelle des Sanitätergesetzes ist zu diskutieren und zu entscheiden, in welcher Art und Weise und mit welchen Kompetenzen dieses Berufsgruppe in ein umfassendes Gesundheitsversorgungssystem einzubeziehen ist.
NEOS: Wir sehen die Ausweitung der Ausbildung als wesentlichen Teil der Versorgung. Allerdings liegt der Fokus der Politik, vor allem Landespolitik, leider derzeit auf einer maximalen Spitalsversorgung.
SPÖ: Die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitsberufe wird künftig ohnenhin stärkere Bedeutung erlangen. Die neuen Primärversorgungseinrichtungen sind ein erster Schritt in diese Richtung. In diesem Zusammenhang werden auch SanitäterInnen einen entsprechenden Anteil haben.
5. Welche der folgenden Maßnahmen zur Einhaltung von Qualitätsstandards im Rettungswesen unterstützen Sie (z.B. in Form von 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern)?
- Definition der einzusetzenden Rettungsmittel (z.B. Fahrzeugnorm CEN 1789), der Ausstattung und des qualifizierten Personals für
- Krankentransport (z.B. KTW besetzt mit zwei RettungssanitäterInnen),
- Rettungstransport (z.B. RTW besetzt mit mindestens einem NotfallsanitäterIn mit Notfallkompetenzen und einem RettungssanitäterIn) und
- Notarztmittel (besetzt mit Notarzt/Notärztin und NotfallsanitäterIn)
- Einführung eines Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (ÄLRD) in allen Bundesländern (Qualitätssicherung des Rettungs- und Notartzdienstes sowie der Aus- und Weiterbildung, Freigabe von Medikamenten für SanitäterInnen, Koordination & Schnittstelle)
- Einführung eines österreichweiten Qualitätsmanagements z.B. einheitliche Dokumentation, Reanimationsregister, etc.
- Einführung einer österreichweit verbindlichen Hilfsfrist (nach internationalen Standards z.B. 15 Minuten)
FPÖ: Alle diese Maßnahmen sind sinnvoll und werden unterstützt
NEOS: In einem ersten Schritt erachten wird Punkt 1 „Definition der einzusetzenden Rettungsmittel“ und Punkt 3 „Einführung eines österreichweiten Qualitätsmanagements“ als essentiell.
SPÖ: Insgesamt sind die vorgeschlagenen Maßnahmen zu begrüßen und unterstützenswert. Vor allem eine Personalbedarfsrechnung ist höchst an der Zeit, nicht nur im Rettungswesen, sondern auch im Pflegebereich.