„Schlechter geht immer“: Ansätze zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst

Welche medizinischen, rechtlichen und organisatorischen Überlegungen bzw. Instrumente der Qualitätssicherung es im Rettungsdienst gibt oder geben sollte war die Ausgangsfrage bei der ersten Elsevier Emergency Live-Diskussion. Moderiert von Clemens Kaltenberger (BVRD.at) kamen dabei drei ausgewiesene Experten zu Wort: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Prause (Medizinische Universität Graz), Dr. Michael Halmich (Forum Gesundheitsrecht) und Michael Girsa, MBA (Rettungsakademie der Berufsrettung Wien). 

Herausforderungen an vielen Fronten

Das österreichische Rettungswesen ist kleinteilig strukturiert. Organisation, Finanzierung und Struktur des Rettungswesens ist auf Landesebene verankert, sodass unterschiedliche Systeme und Standards (etwa in der Ausstattung und Besetzung von Rettungsmitteln) zum Tragen kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Abwicklung eines Notfalls von der Leitstelle über den Rettungsdienst und das Notarztwesen bis hin zum Krankenhaus völlig separat agierende Institutionen zusammenwirken, die ihre eigenen Wege gehen, eigene Standards fahren und untereinander keine Feedbackmechanismen etabliert haben.

Gute Qualität setzt Erfahrung und Fallzahlen voraus

Gerhard Prause sieht als Ziel, die mindestens 50-70% der nicht indizierten Notarzteinsätze zu minimieren. Dafür muss man Sanitäter*innen den Rücken stärken und sie mit einer besseren Ausbildung, besserem Equipment und mehr Kompetenzen ausstatten. Umfangreiche Praktika in Notfallaufnahmen sieht er dafür als Voraussetzung. Allerdings geht es später auch darum, durch entsprechende Fallzahlen Kompetenzen aufrecht zu erhalten. Anstatt eines breiten Zugangs ist hier eine gewisse Spezialisierung mit entsprechender Disponierung jedenfalls zu erwägen. In der Notarzt-Ausbildung setzt man verstärkt auf Kompetenzbildung und Fallzahlen sowie das Training am Simulator. Eine dahingehende Entwicklung wäre auch bei Sanitäter*innen höchst an der Zeit.

Dass man durch gesteigerte Anforderungen in der Ausbildung Ehrenamtliche verliert, hält Prause nicht für wahrscheinlich. Ähnliche Ängste habe es schon bei der Einführung der Defibrillatoren gegeben, die sich nicht bewahrheitet hätten. Medizinisch gesehen darf die Versorgung nicht daran ausgerichtet werden, ob jemand haupt- oder ehrenamtlich tätig ist. 

Höchste Zeit für ein neues SanG

Michael Halmich ruft in Erinnerung, dass der Rettungsdienst für die Patient*innen vielfach der Eintritt in das Gesundheitssystem ist und als „Gatekeeper“ stark beeinflusst, wie die Versorgung weitergeht. Die automatische Hospitalisierung ist für manche Patient*innen vielleicht nicht die beste Lösung. Durch Reflexionsmaßnahmen könnte man zielgerichtetere Angebote schaffen und Systeme neu denken. Die dual ausgebildete Acute Community Nurse in Niederösterreich sei dafür ein gutes Beispiel.

Bei der gesetzlichen Weiterentwicklung sieht Halmich den Trend weg von Stundentafeln und hin zu Qualifikationsprofilen, Skillskatalogen und kompetenzbasierten Curricula. Um gute rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, muss zunächst das Profil des Rettungsdienstes geschärft sein. Es ist höchst an der Zeit, nach allen anderen Gesundheitsberufen nun auch die Sanitäter*innen auf ein neues gesetzliches Fundament zu stellen.

Anhebung des Ausbildungsniveaus

Mit gutem Beispiel geht seit vielen Jahren die Wiener Berufsrettung voran. Großen Aufholbedarf verortet Michael Girsa jedoch insgesamt in der Ausbildung und Weiterqualifizierung des Personals. Zum Rüstzeug für den Rettungsdienst-Alltag gehören nämlich neben dem fundierten notfallmedizinischen Wissen und Können auch Kommunikation, gute Patient*innenführung und Crew Resource Manangement. Damit man im Rettungsdienst-Alltag auf einem ähnlichen Niveau wie etwa die Pflege im Krankenhaus mitspielen kann, fehlt es an Ausbildungszeit. Und um das Ausbildungsniveau zu heben, braucht es Berufsbildstrukturen.

Als rein berufliche Einrichtung hat die Wiener Rettung teils mehr Möglichkeiten, Qualitätsmanagement-Tools besonders wirksam einzusetzen. Hervorzuheben sind dabei etwa die Field Supervisoren, die Einsatze begleiten, unterstützen und supervidieren. Bei der gesetzlich festgeschriebenen Rezertifizierung sieht Girsa Nachholbedarf. Auch hier geht man in Wien einen Schritt weiter und überprüft bei den sogenannten „Prof. Checks“ die korrekte Anwendung von SOPs in realitätsnahen Simulationstrainings. Dabei geht es auch darum, Rettungsdienstmitarbeiter*innen in ihrem Können zu bestärken und ihnen Sicherheit für den Einsatz mitzugeben.

Was müssen die nächsten Qualitätsentwicklungsschritte sein?

Gerhard Prause sieht als nächsten wichtigen Schritt im Qualitätsmanagement, den Notarztdienst an das Krankhaus zu binden. Damit wären Feedbackschleifen ohne datenschutzrechtliche Bedenken möglich und bereits existierende Qualitätsmaßnahmen des Krankenhauses würden automatisch greifen. 

Für Michael Girsa ist eine grundfundierte, qualitativ hochwertige Ausbildung das Um und Auf, um qualitativ im österreichischen Rettungsdienst weiterzukommen. Wie das funktioniert, sieht man an zahlreichen Beispielen im internationalen Vergleich. Voraussetzung dafür sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und eine Überarbeitung des Sanitätergesetzes samt Ausbildungsverordnung. 

Michael Halmich wünscht sich ein besseres, proaktives Risiko- und Fehlermanagement im Rettungsdienst. Von Fehlern und Beinahefehlern sollten alle lernen dürfen. Deshalb wäre es wichtig, nicht durch Kündigungen Angst zu verbreiten, sondern Betroffene aktiv in Schulungsmaßnahmen einzubinden. 

 

Auch wenn sich alle einig sind, dass in allen Betrachtungen stets das Patientenwohl im Mittelpunkt stehen muss, so führte auch diese Diskussion rund um die Qualität im Rettungsdienst insgesamt zu mehr Fragen als Antworten. Wir sehen das als klaren Auftrag, an genau diesen Fragen dranzubleiben, Netzwerke zu schaffen und die Debatte wo immer möglich weiterzuführen.